Hundertjahre – Der Glauer Hof

Ein faszinierendes Gut mit einer beeindruckenden Geschichte

Winter 1920: 30 Kilometer südlich von Berlin wird die Grundsteinlegung auf märkischem Sandboden für ein christlich-soziales Siedlungsprojekt gefeiert. Der gebürtige Schlesier Joseph Weißenberg und Kirchengründer der heutigen Johannischen Kirche plant eine „Stadt des Friedens“ am Südhang der Glauer Berge.

Die „Christliche Siedlungsgenossenschaft Waldfrieden“, die offizieller Träger des Grundes ist, bebaut das karge Gelände in Rekordzeit. In nur 15 Jahren entstehen etwa 40 Gebäude für ca. 400 Bewohner. Darunter etliche Wohnhäuser, ein Landwirtschaftsbetrieb, verschiedene Werkstätten, die Hallenkirche auf dem Waldfriedengelände, ein Altersheim, das Heilinstitut, eine Schule und viele weitere Gebäude.

Der „Der Glauer Hof“ hat von Anfang an eine zentrale Rolle in der Siedlung. Geplant wurde er vom Berliner Architekten Willy Fromholz, der schon für das „Haus zum Grundstein“ verantwortlich zeigte. Fromholz konzipiert den Glauer Hof im Landhausstil als ein 8-Familienhaus mit kleinen Tierställen, angelegt als Vierseithof. Dazu gehört ein großzügiger Garten, der die Selbstversorgung sichern soll.

Im Haupthaus sind Büroräume für die Verwaltung der Siedlung und auch Wohnräume. Joseph Weißenberg hat hier sein Zimmer, das er bei seinen regelmäßigen Aufenthalten zweimal in der Woche bewohnt. Im Glauer Hof hält der Siedlungsgründer auch Sprechstunden ab, bei denen das Sakrament der geistigen Heilung gespendet wird. Außerdem gibt es dort eine Konsumverkaufsstelle. Einige Siedlungskinder gehen dort auch zur Schule.  

Rechts und links im Vorgarten stehen zwei Feldgeschütze aus dem deutsch-französischen Krieg 1870–71; es sind Geschenke an Joseph Weißenberg, die einmal zu den ersten Kirchenglocken der Friedensstadt umgeschmolzen werden sollen. Sie werden jedoch nach dem 1935 erfolgten Kirchenverbot von der Gestapo fortgeschafft.

Bis 1938 wird ein Großteil der Bewohner der Friedensstadt vertrieben; der Glauer Hof wird von Einrichtungen des NS-Regime für militärische Zwecke missbraucht.

1945 bis 1978 bewohnen Gefreite der Roten Armee das Haus, danach steht es leer. Ein Grund dafür ist die fehlende Heizung. Zwar verlegen die Soldaten innerhalb der Garnison gewordenen Friedensstadt eine Fernheizung, diese versorgt aber nicht alle historischen Gebäude.

Kurz vor Rückgabe der Friedensstadt an die Johannische Kirche ziehen 1993 erste Kirchenmitglieder für einige Jahre in das Haus ein, und 1994 entstehen nach Sanierungsarbeiten Büroräume. Auch Redaktionsräume der Kirchenzeitung WEG UND ZIEL finden hier zeitweilig Platz.

Ab 2000 lässt die immer schlechter werdende Bausubstanz des Glauer Hofs eine weitere Nutzung des Gebäudes nicht mehr zu. Es steht für mehrere Jahre leer.

Verschiedene Nutzungskonzepte werden angedacht und verworfen, bis sich die Idee „Haus der Inklusion“ verfestigt. Getragen und umgesetzt wird dieser Grundgedanke von der Glauer Hof – Inklusion leben gGmbH. Sie ist eine gemeinnützige Einrichtung, die sich hauptsächlich um Inklusion von Menschen mit und ohne Behinderung kümmert und auch eine Förderung von denkmalwürdigen Bauten anstrebt. Die Gesellschaft wird 2019 gegründet und von sieben Gesellschaftern getragen.

Dazu hat die gGmbH das 2.000 Quadratmeter große Grundstück mit den renovierungs-bedürftigen Bestandsgebäuden in Erbpacht übernommen. Das historische Ensemble soll fachgerecht saniert werden und zudem werden zwei Neubauten das ursprüngliche Flair des Vierseithofs wieder herstellen. Der Entwurf ist aus einem Wettbewerb unter Studierenden an verschiedenen Hochschulen und Universitäten deutschlandweit hervorgegangen.

Insgesamt sollen 25 Wohneinheiten entstehen, davon sind 21 Wohneinheiten barrierefrei. Die Größe der Wohneinheiten beträgt zwischen 40-60 Quadratmeter. Darüber hinaus entstehen im Dachraum des Bestandsgebäudes vier Appartements (nicht barrierefrei) für Besucher bzw. betreuende Pflegekräfte.

Zehn Wohneinheiten sind für Menschen mit Behinderungen vorbehalten: Zwei Wohneinheiten für Rollstuhlfahrer, zwei Wohneinheiten für Menschen mit Sehbehinderungen und sechs Wohneinheiten für Menschen mit anderweitigen körperlichen Einschränkungen.

Den Menschen mit Behinderungen soll im Glauer Hof eine größtmögliche Teilhabe am Leben ermöglicht werden. Daher wird eine Mischung von etwa 50:50 mit Menschen ohne Behinderungen angestrebt, damit eine gegenseitige Hilfe und Unterstützung sowie Akzeptanz erreicht werden kann.

Obwohl jeder selbstbestimmt in seiner eigenen Wohnung lebt, soll unter den Bewohnern eine Gemeinschaft entstehen. Zur Förderung dieses Konzeptes wird ein Gemeinschaftsraum für Zusammenkünfte, aber auch für private Feiern im Südflügel (Bestandsbau) errichtet. Ihm ist unmittelbar angegliedert ein rollstuhlgerechtes WC. Weiterhin entsteht im Rahmen des Projekts ein „Raum der Stille“ zur inneren Einkehr bzw. für Gespräche, sowie ein Raum für Kunsttherapie im Erdgeschoss des Bestandsbaus.

Alle Einrichtungen zusammen sollen mit dem als Grünfläche gestalteten Innenhof helfen, das Leben in Gemeinschaft zu fördern.

Um dieses Konzept umsetzen zu können, arbeitet die gGmbH mit fachkundigen Experten wie zum Beispiel vom Allgemeinen Blinden- und Sehbehinderten Verein Berlin zusammen.

Alle Bestandsgebäude des Glauer Gofs werden mithilfe des Denkmalschutzes und spezifischen Firmen hergerichtet bzw. rekonstruiert. So wurden zum Beispiel in Laboranalysen sowohl Farbe als auch Körnung des Außenputzes untersucht. Alle Gebäude bekommen einen hellen Außenputz. Auch die Fenster konnten rekonstruiert werden und erhalten im Untergeschoss wieder die dazugehörigen Fensterläden. Somit wird das historische Erscheinungsbild Stück für Stück wieder hergestellt.

Die vorhandene Bausubstanz des Glauer Hofs mit ihrer schlichten Ornamentik und den Gesims-Bändern in Deco-Art ist das dominante architektonische Gestaltungsmerkmal. Ihr ordnen sich die Neubaubereiche sowohl in Höhe als auch im Aussehen unter: Die Architektur der Neubauten soll sich dem Landleben anpassen und die typischen Vierseithöfe der Region modern interpretieren. Gemeinsam erzeugen Alt- und Neubauten den neuen Vierseithof.

(Siehe Haus der Inklusion – Glauer Hof (glauer-hof.de))

Mit der Sanierung und Erweiterung des Glauer Hofs sind Zielsetzungen wie Nachhaltigkeit und Ökologie im Bauen gesteckt. Zudem sollen ortsansässige Firmen beauftragt werden, die mit regionalen Baustoffen arbeiten.

Detaillierte Grundrisse bzw. Ansichten sind auf der Webseite aufrufbar. Weiterhin freut sich die Glauer Hof – Inklusion leben gGmbH über jedes neue Fördermitglied bzw. auch Spenden.

Die gGmbH sagt allen herzlichen Dank für die bisherige tatkräftige Unterstützung – ob praktisch oder im Gebet.

Inklusion leben gGmbH